Die Existenz eines weiblichen Papstes ist gemäss zahlreichen Wissenschaftern der Neuzeit erwiesen.
Sie haben umfangreiche Beweise gesammelt, welche diese These belegen.
Im Wesentlichen sind dies - neben dem auf der Startseite aufgeführten Werk von Martin von Troppau - Dokumente von Friedrich Spanheim, das offizielle Liber Pontificalis des 9. Jahrhunderts, der Chronist Conrad Botho sowie ein Brief von Anastasius an Papst Johannes.
Weiter sind bestimmte Objekte von grösstem Interesse: Im Lateran standen zwei steinerne Sessel mit einem Loch in der Sitzfläche (heute im Vatikanmuseum). Aufschlussreich sind zudem Münzen mit Monogrammen aus der fraglichen Zeit.
Zu erwähnen ist auch eine Aussage von Jan Hus vor dem Konzil in Konstanz 1413.
Martin von Troppau (ca. 1220/1230 bis nach 22. Juni 1278) wird auch Martin Polonius (er stammte aus Polen) genannt.
Der Dominikaner verfasste die meistbenutzte lateinische Chronik des Mittelalters. In seinem Bericht schreibt er von einem Papst, der eine Frau gewesen sein soll.
Der Text in heutiger Sprache:
Nach dem erwähnten Leo hatte Johannes, ein gebürtiger Engländer, der aus Mainz kam, den Stuhl Petri zwei Jahre, fünf Monate und vier Tage inne, wonach das Pontifikat einen Monat lang vakant blieb.
Er starb in Rom.
Er soll, so wurde behauptet, eine Frau gewesen sein.
...
Sie wurde auch nicht in die Aufstellung der Heiligen Päpste aufgenommen, sowohl wegen ihres weiblichen Geschlechtes als auch der Niedertracht ihrer Handlungen wegen. (1)
Der 1277 erschienene Bericht löste eine Flut von weiteren Berichten und hitzigen Debatten aus. Sie begannen im Mittelalter und halten bis heute an.
Geboren in Genf (Schweiz), studierte er in Leiden. Von 1656-1670 lehrte er in Heidelberg und kehrte nach Leiden (NL) zurück.
Von ihm erschien 1691 das Werk «De Papa foemina inter Leonem IV et Benedictum III, Disquisitio Historica». Es ist ins Französische übersetzt und kann in digitaler Form eingesehen werden.
Darin berichtet er von einem Brief an den Bibliothekar Anastasius (gest. 879).
In diesem Schreiben erhielt Anastasius den Befehl, Päpstin Johanna aus den offiziellen Dokumenten des Papststaates zu tilgen. (2)
Der Brief ist heute nicht mehr auffindbar – verloren oder vernichtet.
In der Fachliteratur des 17. Jahrhunderts ist das Dokument noch bezeugt.
Das offizielle Liber Pontificalis des 9. Jahrhunderts enthält ebenfalls leicht versteckte Beweise.
Es ist nur durch spätere Kopien erhalten.
In diesem Buch der Päpste werden die Biografien der Päpste chronologisch gesammelt.
Die früheste Kopie stammt aus dem 11. Jahrhundert, also deutlich vor dem Bericht von Martin von Troppau.
Sie wird in Paris aufbewahrt und zeigt einige Auffälligkeiten:
Zum einen bricht die Beschreibung des Lebens von Papst Leo IV. unvermittelt ab, sie reicht nur bis ca. 853. Nicht einmal das letzte Wort wurde fertiggeschrieben. Der Rest der Seite blieb leer.
Gemäss anderen Kopien wäre zu erwarten, dass die kurze Biografie von Papst Benedikt III. folgt. Dieser Lebensbericht fehlt jedoch vollkommen.
Stattdessen findet man die Beschreibung eines Papstes, dessen Name nicht genannt wird. Er soll seinen Vorgänger Benedikt III. bestattet haben. Vieles deutet darauf hin, dass dieser „namenlose“ Papst Johannes VIII. oder eben die Päpstin war.
Die Theologin Joan Morris geht davon aus, dass Martin von Troppau dieses Manuskript gelesen hatte. Wegen der Tilgungen konnte er das Pontifikat des «namenlosen Papstes» nicht mehr sicher einordnen. Er setzte es direkt nach Leo IV. an.
Die meisten Wissenschaftler folgen seither dieser Annahme.
Heute sind andere Quellen bekannt, welche zeigen, dass diese Annahme nicht zutreffen kann.
Der Chronist Conrad Botho (zweite Hälfte 15. Jhd.) berichtet von der Krönung des Karolingischen Kaisers in Rom.
Gemäss diesen Aufzeichnungen hat Papst Johannes VIII. im Jahre 856 den Karolinger sakral zum Kaiser gekrönt. Der Name des Kaisers: Ludwig II. der seit 839/40 als König von Italien regierte. Sein Vater, Lothar I. übertrug ihm kurz vor seinem Tod (Sept. 855) die Kaiserwürde .
Botho scheint nicht gewusst zu haben, dass er damit die Päpstin beschrieb, denn er erwähnt nicht, dass der Papst eine Frau gewesen sei.
Sein Bericht ist korrekt, wenn deren Pontifikat für die Jahre 856 bis 858 angesetzt wird.
Folgt man der offiziellen Papstliste, wäre in diesem Zeitraum Benedikt III. Papst, was im Widerspruch zur dokumentierten Information steht.
Anastasius war Geistlicher in Rom mit wechselvoller Karriere.
Er war Kardinalspriester, wurde exkommuniziert, konkurrenzierte mit dem späteren Benedikt III. um den Papstthron, war kurze Zeit Gegenpapst. Schliesslich trat er wieder in kirchliche Dienste und wurde unter Papst Hadrian II. Bibliothekar.
Wichtig zu wissen ist, dass Anastasius seine jeweilige Position in die Bezeichnung als Absender aufnahm, was eine Datierung seiner Schreiben ermöglicht. Erst am Schluss nannte er sich Anastasius Bibliothecarius. (3)
Von ihm existiert ein Brief an Papst Johannes – der vermutlich eine Frau war. Aufgrund der Titulatur von Anastasius ist das Schreiben auf die Zeit vor 858 anzusetzen, also lange, bevor er Bibliothekar wurde. Zwischen 855 und 858 - der Zeit des vermuteten Pontifikates von Päpstin Johanna - unterzeichnete er mit «Exiguus», erst ab 867 mit «Bibliothecarius».
DOMINO COANGELICO IOHANNI SUMMO PONTIFICI ET UNIVERSALE PAPAE
ANASTASIUS EXIGUUS
Interpretata nuper decessore vestrae beatudinis Hadriano reverendae papa sancta octava et universali synodo indecomin et inconveniens arbitrarius sum septi mam universalem synodum, quae praesidente in vicariis suis beatae recordationis prae decessore vestro Hadriano apud Nicaeam secundo conveniens sub Hirene seu Constatino imperatoribus celebrata est non habere Latinos ... (4)
Der Brief belegt die Existenz von Johannes Anglicus in den Jahren vor 858. Es geht in diesem Schreiben um die Synode von 794. Diese Synode war in den 850er Jahren für das Frankenreich noch eminent wichtig.
Wird das Datum dieses Briefes dagegen in die Jahre 870-880 gelegt – was diejenigen, welche die historische Realität einer Frau als Papst leugnen – ergibt dies wenig Sinn, denn es eröffnen sich neue Fragen. Genaueres dazu ist bei den Pontifikaten ausgeführt.
Zwar war in dieser Zeit der spätere Johannes VIII. Kirchenoberhaupt, doch wäre der Inhalt völlig veraltet: Zum einen wäre die Titulatur von Anastasius unpassend weil überholt, zum anderen befand sich das Frankenreich in dieser späteren Zeit in der definitiven Auflösung.
Seit dem Hochmittelalter hatten sich die neu gewählten Päpste auf diesen Sitzen einem unangenehmen Test zu unterwerfen: Durch Abtasten wurde das männliche Geschlecht geprüft und das Ergebnis ausgerufen: «Duos habet et bene pendentes!»
Auf der Illustration rechts wird die Prüfung eines Papstes nach seiner Wahl dargestellt. Der jüngste Kardinal hatte die Aufgabe, die Männlichkeit des neuen Oberhirten zu verifizieren.
Mit diesem Ritual sollte wohl eine weitere Panne mit einer verkleideten Frau verhindert werden.
Anderslautende Erklärungen sind nicht plausibel.
In der Regel waren es sogenannte Kombinationsmünzen. Auf diesen war das Monogramm des Papstes sowie der Name des regierenden karolingischen Kaisers vermerkt.
Diese Münze zeigt auf der Vorderseite das Monogramm eines Papstes IOHANIS mit kunstvoll kombinierten Buchstaben. Aussen herum der Schriftzug SCS PETRUS.
Das Zentrum der Rückseite wird vom öfters verwendten Monogramm ROMA gefüllt. Aussen der Schriftzug LVDOVVICUS IMP.
Ludwig II. wurde 855 vom Papst zum Karolingischen Kaiser gekrönt und regierte bis 876.
Die Numismatik und auch andere Quellen deuten darauf hin, dass Johannes Anglicus bzw. Päpstin Johanna als Johannes VIII. ihr Pontifikat NACH Benedikt III. angetreten hatte. Die Beschreibung des ungenannten Papstes im Liber Pontificalis kann nur so inhaltlich erklärt werden, denn es berichtet vom Diakon Johannes, dem engsten Mitarbeiter von Papst Benedikt III. Nach seinem Tod wählte das Volk von Rom den Diakon Johannes zum neuen Papst. Dieser Diakon Johannes war wohl eine verkappte Frau, eben Johanna.
Ausführlicheres dazu in der Biografie.
Jan Hus (ca. 1370-1415) war ein böhmischer Theologe und Reformator.
Er bezeichnete die Bibel als die höchste Autorität in Glaubensfragen und stellte damit die Position des Papstes in Frage.
Deswegen wurde er am Konzil von Konstanz vor Gericht geführt.
Vor 20 Kardinälen, 49 Bischöfen und 272 Theologen rechtfertigte er sich: “War denn die Kirche in den zwei Jahren und fünf Monaten, in denen Johanna auf dem Heiligen Stuhl sass, nicht ohne einen Kopf und ohne einen Herrscher?”
Nicht ein einziges Mal in diesem Verhör kam ein Widerspruch aus der Versammlung in Bezug auf Johanna; es wurde auch nicht verlangt, dass er keine erfundenen Geschichten vortragen solle. Dies, obwohl er am 6. Juli 1415 als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. (6)
Beweise wie sie auf dieser Seite präsentiert werden füllen ein ganzes Fachbuch. (5)
Berichte von Chronisten, Briefe und Münzen wurden sorgfältig untersucht und Zusammenhänge herausgearbeitet.
Manipulationen in Dokumenten weisen darauf hin, dass in den 850er Jahren ein Papst Johannes existiert haben muss.
Wäre ein männlicher Papst so konsequent aus den Dokumenten getilgt worden?
Naheliegender ist, dass dieser Papst Johannes Anglicus war, der sich Johannes VIII. nannte und in Wirklichkeit eine Frau war - die Päpstin.
(1) Nach Peter Stanford. Die wahre Geschichte der Päpstin Johanna. Deutsche Ausgabe. Rüttgen & Loening. Berlin. 2. Auflage 2000
(2) Stanford, 2009, 32-34
(3) Perels und Laehr, 1928
(4) Codex Vat. Reg. 1046. Abbildung in Morris, 1985, Fig. VI
(5) Michael E. Habicht, Päpstin Johanna. Ein vertuschtes Pontifikat einer Frau oder eine fiktive Legende? epubli GmbH. Berlin, 2018
(6) Stanford, 2009, 179-180
Bild «Martin von Troppau»: Buchillustration aus dem Werk von Martin von Troppau. Gemeinfrei
Bild «Friedrich Spanheim»: Gemeinfrei
Bild «Kaiser Ludwig II. »Bibliothèque nationale de France, Latin 5411, fol. 85v: Gemeinfrei
Bild «Sedia stercatoria»: Gemeinfrei
Bild «Monogramm Johannes Anglicus.»: © M. E. Habicht